Mitgestaltung des Wissenschaftstages der Europäischen Metropolregion Nürnberg
Am 19. Juli 2024 fand der 17. Wissenschaftstag der Europäischen Metropolregion Nürnberg an der Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) in Hof statt. Ähnlich wie bereits bei seiner ersten Ausrichtung in Hof im Jahr 2015, beteiligte sich der Fachbereich AIV auch diesmal wieder an der Ausgestaltung der Veranstaltung in Form der Leitung eines Fachpanels mit der Ausrichtung auf öffentliche Verwaltungen. Der Wissenschaftstag der Europäischen Metropolregion Nürnberg wird einmal im Jahr vom Forum Wissenschaft veranstaltet. Er ist eine zentrale Präsentationsplattform der gesamten Metropolregion und setzt mit überregionalen Expertinnen und Experten jedes Jahr neue inhaltliche Akzente zu aktuellen Themen. Zu der Veranstaltung an der HAW fanden sich knapp 600 Gäste ein, darunter hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung.
Aufgrund der Themenstellung des Wissenschaftstages 2024 drängte sich für das Panel des Fachbereichs ein Themenbereich auf, der in der Zukunft sowohl für die Städte und Gemeinden in der Metropolregion, als auch in der Region Hochfranken zunehmende Relevanz erfahren dürfte: eine kommunale Steuerung, deren Fokus auf Nachhaltigkeit ausgerichtet wird. Diesbezügliche Bestrebungen sind z. B. durch die Erarbeitung kommunaler Nachhaltigkeitsstrategien feststellbar. Im Zuge bundesweiter Tagungen wurde in den letzten Jahren mit dem „Nachhaltigkeitshaushalt“ vermehrt ein Instrument zur erfolgversprechende Zielerreichung vorgestellt.
Im Rahmen der Begrüßung führte der Leiter des Fachpanels, Hochschullehrer Armin Thoma M.A. zunächst mit der Bedeutung des Begriffes Nachhaltigkeit in die Thematik ein. Dazu könne der frühere Bayerische Staatsminister, Dr. Werner Schnappauf, jetzt im Nachhaltigkeitsrat der Bundesregierung, zitiert werden: „Nachhaltigkeit bedeutet Vorsorge für eine gute Zukunft, bedeutet langfristiges Denken statt Ex-und-hopp-Mentalität, bedeutet Resilienz und Innovationskraft.“ Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement in Köln (KGSt) betrachtet Nachhaltigkeit als Querschnittsthema: „Es betrifft alle Sektoren einer Kommune und spielt daher auch in allen Verwaltungsbereichen und in der örtlichen Gemeinschaft eine wichtige Rolle. Deshalb muss Nachhaltigkeit gemanagt werden.“ Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die KGSt als Meinungsführer für Verwaltungsentwicklung bzw. -modernisierung in Deutschland die Nachhaltigkeit als wesentliches Ziel des kommunalen Leitbildes „Netzwerkkommune“ ausgegeben hat und auch detaillierte Ausführungen zum Kommunalen Nachhaltigkeitsmanagement anbietet. Das Thema Nachhaltigkeit lässt sich aber auch auf Ebene der Bayerischen Staatsregierung mit der im März 2022 beschlossenen Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie verorten. Auch auf kommunaler Ebene wird man bei der Recherche zum Thema Nachhaltigkeit in Bayern fündig: so hat beispielsweise die Stadt Fürth eine kommunale Nachhaltigkeitsstrategie und experimentiert auch mit einem im Internet veröffentlichten interaktiven Nachhaltigkeitshaushalt. Bei einer im Juni 2024 in Berlin stattgefundenen Kommunalkonferenz zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie herrschte bei den 120 Vertretern aus Kommunen, Verbänden und anderen Organisationen Einigkeit, dass „an den Kommunen beim Thema Nachhaltigkeit kein Weg vorbei führe“.
Zum ersten Impulsvortrag des Panels war die Leiterin des Zentrums für Nachhaltige Kommunen der Bertelsmann Stiftung, Dr. Kirsten Witte aus Gütersloh online zugeschaltet. Sie stellte ihren Ausführungen die 2015 beschlossenen 17 Sustainable Development Goals (SDG) der UN als internationalen inhaltlichen Schulterschluss voran. In Deutschland sei inzwischen ein breites Netzwerk entstanden, das die Kommunen bei der Umsetzung der Nachhaltigkeit bis zum Zielhorizont 2030 unterstützen könne. Die 2023 von der Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Halbzeitbilanz zeige zwar Fortschritte bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in deutschen Kommunen, lasse aber auch erkennen, dass die Kommunen noch lange nicht am Ziel angekommen seien. Als Beispiel dafür könne die bislang kaum feststellbare Verknüpfung der Nachhaltigkeitsbestrebungen mit der Finanzplanung benannt werden. Im kommunalen Finanzreport 2023 der Bertelsmann Stiftung wurden als zwei Aspekte nachhaltiger Kommunalfinanzen einerseits die finanzielle Leistungsfähigkeit selbst und andererseits die transformationsorientierte Mittelverwendung dargestellt. Zwar seien die bayerischen Kommunen laut Frau Dr. Witte im Durchschnitt auch im Vergleich zu anderen Bundesländern besser aufgestellt, bei der transformationsorientierten Mittelverwendung müsse aber stärker auf die Vorreiterkommunen v. a. in Nordrhein- Westfalen (z. B. Stadt Bonn) verwiesen werden. Die dortigen Piloterfahrungen führten auch zu der Idee, die Prozesse zur Nachhaltigkeits- und Haushaltsplanung zusammenzuführen. Ein Nachhaltigkeitshaushalt könne so ein Bindeglied zwischen einer Nachhaltigkeitsstrategie und klassischer Haushaltsplanung sein. Zur Unterstützung biete die Bertelsmann Stiftung bereits jetzt online verfügbare Kommunalprofile im SDG-Portal an, die aktuell verfügbare Maßnahmen und Indikatoren zu den 17 SDG in kompakter Form gebündelt abbilden. Abschließend wies die Referentin auf bestehende Softwarelösungen hin, die z. B. mit Vergleichsdaten oder vorkonfigurierten Berichten eine Steuerung in Richtung SDG-Ziele ermöglichen.
Anschließend nahm Dr. Marc Gnädinger vom Hessischen Rechnungshof als zweiter Gastreferent die Umsetzung der Nachhaltigkeitssteuerung im Bundesgebiet ins Blickfeld. Er konnte berichten, dass im Nachbarland Hessen das vom Staat und den Kommunen zu berücksichtigende Prinzip der Nachhaltigkeit sogar in der Hessischen Landesverfassung verankert sei. Mit Bezug auf die kommunale Ebene knüpfte er an die beiden von der Vorrednerin genannten Aspekte nachhaltiger Finanzen an. Er zeigte auf, dass der Begriff der finanziellen Leistungsfähigkeit im Haushaltsrecht ein unbestimmter Rechtsbegriff mit zentraler Bedeutung sei. Mit dem kommunalen Auswertungssystem des Hessischen Innenministeriums „kash“ könne dieser Begriff mittels acht Indikatoren gut operationalisiert werden. An dieser Stelle wies Dr. Gnädinger auf die Sonderproblematik der Bundesländer Bayern und Thüringen hin, wo ein Großteil der Kommunen den Umstieg auf eine doppelte kommunale Buchführung noch nicht vollzogen hätten, obwohl dieses für Nachhaltigkeitsbetrachtungen das grundlegend besser geeignete Rechnungswesen sei. So zeigte er im Sinne einer finanziellen Generationengerechtigkeit die überragende Relevanz des operativen Ergebnisses zur Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit auf. Der Referent aus dem benachbarten Bundesland regte eindrücklich an, dass die überwiegend aus Bayern stammenden Teilnehmer des Panels diese Botschaft als Denkanstoß in ihren Behördenalltag mitnehmen sollten. Das doppische Haushaltsrecht bringe laut Dr. Gnädinger durch die produktorientierte Haushaltsdarstellung mit Zielen und Kennzahlen auch für den zweiten Aspekt einer auf die Nachhaltigkeitsdimensionen ausgerichteten Mittelverwendung maßgeblich bessere Startvoraussetzungen. Zwar zeige eine 2017 vom Hessischen Rechnungshof durchgeführte Studie mit hessischen Kommunen, dass die praktische Umsetzung auch hier – vor allem bei kleineren Kommunen - noch Schwachstellen aufweise. Gerade dies sei aber ein Ansatzpunkt bzw. eine Chance in der Verknüpfung von Haushalts- und Nachhaltigkeitssteuerung. Durch eine Verknüpfung beider Themen seien aufwendige Parallelstrukturen für Nachhaltigkeits- und Haushaltssteuerung nicht zwingend notwendig. „Nachhaltigkeit darf nicht zum Thema einzelner großer, besonders innovativer bzw. finanzstarker Kommunen werden“, so die Forderung des Experten. Durch eine Nutzung vorhandener Erfahrungen und einen gewissen Freiraum bei der Umsetzung könne die Akzeptanz erhöht werden. Dr. Gnädinger empfahl den Teilnehmern, auf dem Weg zum Nachhaltigkeitshaushalt mit erweiterbaren Minimallösungen einzusteigen, also „einfach einfach“ zu beginnen. Abschließend rundete er mit der in Hessen bestehenden Unterstützung auch durch den Hessischen Rechnungshof seine Betrachtungen ab.
In dem abschließenden Vortrag des zweistündigen Panels sollten dann die ersten Erfahrungen mit dem Nachhaltigkeitshaushalt in Bayern bzw. die Übertragbarkeit der aufgezeigten Entwicklungen auf kleinere bayerische Kommunen aufgezeigt werden. Als Praxisbeispiel aus dem Bereich der Metropolregion beleuchtete der Absolvent des Fachbereichs AIV und jetzige Stadtkämmerer der im Landkreis Hof liegenden Stadt Rehau, Jan Muggenthaler, die von den Vorreferenten aufgeworfenen Aspekte aus Sicht seiner Kommune. Er bezeichnete eine angemessene Finanzausstattung und -bewertung als bereits aus den Kommunalgesetzen resultierende Grundlage für die Arbeit in den Kommunen. Die Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit zeigte der Kämmerer anhand der weiterhin kameral wirtschaftenden Stadt Rehau auf. Das Erwirtschaften eines Einnahmeüberschusses in der laufenden Verwaltung sowie das Vorhandensein von auskömmlichen Rücklagenmitteln bzw. einer erträglichen Verschuldung seien auch hier zentrale Elemente. Er verwies aber auf unterschiedliche Blickwinkel zur Nachhaltigkeit, je nachdem ob dies extern (z. B. durch die Rechtsaufsichtsbehörde oder Institutionen und Verbände) oder verwaltungsintern mit dem Spagat zwischen Pflicht- und freiwilligen Leistungen erfolge.
Jan Muggenthaler zeigte mit Verweis auf die 17 SDG- Zielfelder auf, dass diese zwar vor Ort (noch) nicht vordergründig behandelt würden, im Hintergrund bei vielen Entscheidungen aber relevant sind. Nach seiner Einschätzung gebe es für die Zielerreichung aber weniger Gestaltungsspielraum in den städtischen Finanzen als dies wünschenswert wäre. So habe die Stadt Rehau zwar aus den letzten Jahren auch im Durchschnitt einen positiven Finanzierungssaldo pro Einwohner, allerdings schwanke diese Kenngröße stark und die Projektionen der Kommunalen Spitzenverbände zeichnen aktuell ein düsteres Bild für die kommenden Jahre.
Eine Ursache liege in der Gebundenheit an Pflichtaufgaben und übergeordnete Vorgaben. Die Umsetzung „nachhaltiger“ Maßnahmen erfolge dennoch sukzessiv, wo dies eben finanziell im Kommunalhaushalt machbar sei. Als ausgewählte Praxisbeispiele dafür nannte er die Errichtung von PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden sowie die Errichtung von E-Ladesäulen im Stadtgebiet. Aber auch mit der Instandhaltung der Infrastruktur, wie etwa dem Kanalsystem, werde Nachhaltigkeit zugunsten nachfolgender Generation erzeugt. Bei der Bewertung der 17 SDG aus Sicht einer kleineren Kommunen regte der Praktiker die Möglichkeit eines Leitfadens für die Umsetzung als Hilfestellung an, auch wenn nicht alle der 17 Ziele von der Kommune gleich beeinflussbar seien. In seinem Fazit verdeutlichte Muggenthaler, dass die Thematik eines Nachhaltigkeitshaushalts sehr wohl „im Kommen“ sei. Hier könne ferner die Praxistauglichkeit der wissenschaftlichen Vorarbeiten aufgezeigt werden. Als nicht zu vernachlässigenden Aspekt gab er abschließend zu bedenken, dass die Nachhaltigkeitssteuerung eine gesellschaftliche Herausforderung sei und diese von den Bürgern und Steuerzahlern auch getragen werden müsse.
Nach kurzer Diskussion mit dem Publikum schloss Armin Thoma anschließend das Panel und bedankte sich bei dem Publikum für das Interesse und den Referenten für ihre eindrucksvollen Beiträge. Mit einem Empfang bei herrlichem Sommerwetter klang der gelungene Wissenschaftstag in Hochfranken aus.
A.T.